Die „Herrschaften“ von Rothnaußlitz

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Für Rothnaußlitz war – übrigens wie auch für Pottschapplitz – der außergewöhnlich hohe „Verschleiß“ an Grundherren charakteristisch. In etwa 400 Jahren kamen und gingen rund 50 Lehnsnehmer oder Käufer. Als erste hier nachgewiesene Adelsfamilie, in deren Händen sich Rothnaußlitz schon um 1400 befand, wird die v. Tschirnhaus genannt. Die Familie gehörte zum böhmischen Adel aus Tschirnhausen, in der Nähe des früheren Seidenberg. 1541, 1564 und 1578 veräußerten sie stückweise ihren Rothnaußlitzer Besitz. Der Stachaer Kretscham erschien im Rothnaußlitzer Lehnsbrief, weil Stacha zeitweilig zu Rothnaußlitz gehörte – Forscher gehen davon aus, schon um 1580.

Nach 1547 erhielten die Rittergutsbesitzer sogar das Recht der oberen Gerichtsbarkeit, d.h. sie durften über schwere Vergehen richten. Ein Rest dieses so genannten Blutbannes ist der Name „Galgenberg“. Zu dieser Zeit wurden sogar die Diebe gehängt, und so ist die Stätte häufig der Schauplatz von Hinrichtungen gewesen. Der sandige Platz südwestlich des Ortes war früher kahl.

Der Dreißigjährige Krieg brachte auch über Rothnaußlitz viel Unheil. Die Soldaten verlangten häufig Abgaben. Es ist daher kein Wunder, dass viele Bewohner aus dem Ort flohen, der so häufig Schauplatz von Kriegsgreuel war. Unter der Rothnaußlitzer Herrschaft von Hans Georg I. von Taube oder Hans Adolph von Haugwitz (wann der Besitzerwechsel erfolgte, ist nicht bekannt)  wurden die Frondienste und Abgaben so unerträglich, dass im Jahr 1659 von 44 Gutsuntertanen 27 flohen. Trotz „Gesindezwang“ zogen sie ins benachbarte meißnische Cannewitz.

Die Flucht war leicht, denn der Silberbach zwischen Rothnaußlitz und Cannewitz trennte zu dieser Zeit Böhmen vom Besitz des Bistums Meißen. Auch das zum Kloster Marienstern gehörende Leutwitz wurde oft aufgesucht. Hier konnte ihnen ihre Gebietsherrschaft nichts anhaben.

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So werden uns 1659 nur noch 17 Rothnaußlitzer Untertanen genannt, die im Ort geblieben waren. Ihre Namen sind: Hannß Hauff, Michael Kuzschan, Hannß Thorandt (der Schmied), Adam Krahl, George Waurigk, Hannß Barthel, Hannß Haberkorn, Paul Schwarzke, Christoph Voigt, Hannß Kutsche, Christoph Niezsche, George Hoblandt, Paul Haberkorn, Christoph Kockel, Simon Schneider, Michael Barthel, Peter Buschagk. Die geflohenen Untertanen hießen: Hannß Waurigk, Hannß Neupauer, Michael Seigisch, Martin Benade, drei Brüder Liebisch, George Schwarzke, Hannß Schwarzke, zwei Brüder Lehmann, Paul Dornigk, Hannß Steglich, George Hornuff, Martin und George Biesoldt, George Sauer, Michael und George Lahada, Martin und Michel Schmidt, Hannß und Michel Kmoch, Peter Patogk, Jakob Schneider, Matthes Piewarz, Hans Werner. Vielleicht finden sich darunter noch einige Vorfahren der heutigen Bewohner. Die Schreibweise der Namen hat sich natürlich vielfach geändert. Manche Namensform hat auch ein anderes Gewand angenommen. So ist aus Lahada Lahode oder Wahode geworden. Viele der Namen sind wendisch. Ein Schenkwirt befindet sich übrigens nicht unter den genannten Bewohnern. Denn die Schänke scheint, da sie der Straße am nächsten lag, am meisten gelitten zu haben. Sie war niedergebrannt und der Wirt war geflohen.

1666 wurde Rothnaußlitz an den Dresdner Kaufmann Friedrich Landsberger verkauft, der auch das Nachbargut Spittwitz erwarb. Er verkaufte den Gesamtbesitz wiederum an Christoph Vietzhum von Eckstädt. Nun ergab sich eine sonderbare Konstellation zwischen den Herrschaften des Rittergutes, das am 21. September 1700 den Status frei verfügbaren Erbes zugesprochen bekam.

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Eckstädt übergab das nicht mehr so recht florierende Gut an seinen Bruder, der 1721 hoch verschuldet starb. Erst 1725 kaufte Rothnaußlitz eine Johanne Magdalena Sauer, die wahrscheinlich nicht in der Lage war, das Gut aus seiner misslichen Lage zu befreien. Konkurs legte das Gut lahm und 1747 wurde es gegen 19.500 Taler dem Fräulein Eva Sophia von Nostitz zuerkannt.  

Auch im Siebenjährigen Krieg mussten die Bewohner von Rothnaußlitz viel „Drangsale über sich ergehen lassen“. Beim Einrücken der preußischen Truppen in Sachsen 1757 hatten Rothnaußlitz, Groß- und Kleinseitschen, Thumitz, Spittwitz und Bolbritz einen Mann als Rekruten für das preußische Heer zu stellen. Weil keiner von den Orten den Mann dazu hergeben wollte, entstanden Streitigkeiten. Da erbot sich Karl Friedrich Freiherr von Braun und Wartenberg auf Verlangen von Fräulein von Nostitz aus Rothnaußlitz, Abhilfe zu schaffen, und warb einen Mann für 20 Taler an.  

Das Legat des Fräuleins von Nostitz bestimmte den Sohn ihres Bruders, Carl Christoph von Nostitz, für 1.600 Taler Rothnaußlitz zu übernehmen. Die Bindung des Erbes an den finanziellen Einstieg sollte die begonnene Entfaltung des Gutes fortführen. 1771 stand das neu errichtete Herrenhaus. Es vermerkt im Portalschlussstein als Besitzer Carl Christoph und Eleonora Gottliebe von Nostitz. Die Buchstabenfolge C.C.v.NE.G.v.N.g.v.V. steht für: Carl Christoph von Nostitz / Eleonora Gottliebe von Nostitz geborene von Varchim.

Eine Tochter des Ehepaares Nostitz war inzwischen vermählte von Gersdorff, übernahm Rothnaußlitz und verkaufte 1784 an den 1739 in Bautzen geborenen Bürgermeister von Kamenz, Dr. Carl Gottlob Compaß.

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Compaß ließ ein Verzeichnis sämtlicher Einwohner anlegen und aufschreiben, wie viel jeder Dienste zu leisten und Abgaben zu zahlen hatte. Dieses Erbregister (oder Urbarium) gewährt uns einen guten Einblick in die Rothnaußlitzer Verhältnisse dieser Zeit. Der Ort bestand aus dem Hauptteil Rothnaußlitz, aus Vogelgesang und Carlsdorf. Letzteres war während des 30jährigen Krieges entstanden. Die Einleitung des Urbars lautete: „Im Namen der heiligen und hochgelobten Drey-Einigkeit. Kund und zu wißen sey hiermit allen und jeden besonders denen zu wißen nöthig, was maßen im Jahr nach Christi unsers Herrn und Heylandes Geburth Ein Tausend Sieben Hundert und Fünf und Achtzig im dritten Jahr der Römer Zinßzahl Indictio genannt unter Herrschaft und Regierung des Allerdurchlauchtigsten Großmächtigen und unüberwindlichen Fürsten und Herrn Josephi II dieses Namens, erwählten Römischen Kaysers zu allen Zeiten Mehrern des Reiches in Germanien und Jerusalem auch Hungarn Böhmen usw.“.

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Nach dieser etwas langatmigen Einleitung heißt es weiter, dass der Hochedelgeborene Herr, Herr Dr. Carl Gottlob Compaß, Erblehn- und Gerichtsherr auf Rothnaußlitz, seinen Notar Carl Friedrich Berggold mit der Aufstellung eines Urbariums beauftragt und dazu sämtliche Einwohner vormittags 8 Uhr aufs Schloss bestellt habe. Nachdem ihnen der Notar ihre Pflichten und Rechte vorgelesen hatte, schrieben die Männer, die schreiben konnten, unter das Schriftstück ihren Namen. Aus den ungelenken Schriftzügen sehen wir, wie schwer ihnen das Schreiben fiel.

Die Bewohnerschaft in dem Hauptteil von Rothnaußlitz bestand damals aus zwei Bauern, neun Wirtschaftsbesitzern (Gärtnern), acht Dreschhäuslern und fünfzehn Kleinhäuslern. In Carlsdorf wohnten sechzehn Häusler, in Vogelgesang ein Gärtner und ein Häusler. Der Schenkwirt George Lehmann, der Besitzer der späteren Gaststätte „Zum Elefanten“ (vorher Elefantenschänke genannt), hatte jährlich 20 Weibertage abzuleisten und 9 Taler 16 Groschen landvogteiliche Rente nach Bautzen zu entrichten; außerdem erhielt die Herrschaft ihren Betrag. Er war zugleich Botengänger, Gemeindediener und Ortspolizist. In seinem Haus befand sich die Arreststube. Selbstverständlich durfte er nur das in der herrschaftlichen Brauerei gebraute Bier ausschenken. Ebenso durfte er bei 5 Talern Strafe keinen fremden Branntwein einführen.

Der Ortsrichter Michael Biesoldt war ein Häusler. Das ist eine Ausnahme von der sonstigen Gepflogenheit, nach der der Richter immer der Besitzer eines der größten Bauerngüter war. Der Richter Michael Biesoldt, der sein Haus seit 1751 besaß, hatte 4 Tage mit der Sense auf dem Rittergut für einen Garten der Herrschaft zu arbeiten.

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Ferner musste er 37 Tage Weiberdienste leisten und 2 Stück Garn spinnen. An Abgaben waren zu leisten: 12 Groschen Schutzgeld, 4 Groschen Erbzins, 2 alte Hühner, 3 Mandeln Eier und als Hutungsgeld 1 Taler und 12 Groschen. Johann Benad, der Müller von Cannewitz, besaß auf Rothnaußlitzer Flur (dem heutigen Schulgrundstück) einen Abhang und ein Feld, für das er an die Rothnaußlitzer Herrschaft jährlich 4 Groschen 8 Pfennige Erbzins, 2 alte Hühner und 2 Hähne zu geben hatte. Eine wichtige Stellung nahm der Schmied Christoph Bär ein. Er war frei von allen Steuern. Die Herrschaft verpflichtete sich, keine andere Schmiede zu bauen. Steuerbegünstigt und an der Frankenstraße mit ihrem Fuhrwerksverkehr gelegen, war sein Geschäft entsprechend erfolgreich. Dass auch Napoleons Heerzug hier Pferde beschlagen und Radreifen aufziehen ließ, ist anzunehmen und wird bis heute in Rothnaußlitz erzählt. Die Herrschaft des Carl Gottlob Compaß war insgesamt von Untertanen-Unruhen geprägt. In Rothnaußlitz kam deshalb 1792 der Hofgärtner Johann Räze wegen vermeintlicher Anstiftung anderer Hofbediensteter zur „Rebellion“ in Haft.

Compaß’ Tochter als Erbin des Gutes ließ 1828 das Herrenhaus grundlegend renovieren. Im Pforten-Schlussstein des 1902 angefügten Treppenaufganges hat der spätere Besitzer Paul Stein seine Initialen hinterlassen. Er vererbte das Gut der Ehefrau Olga Stein, von welcher es Dr. jur. Egon Heiber (Birkau) pachtete. Übrigens: Das im Gutshof errichtete sechsetagige Taubenhaus steht bis heute.

 

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